Ginsemer Anekdoten

(von: Georg Dauborn - * 13.05.1899, † 02.10.1975)

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Eine gute Flasche Wein

Um die Jahrhundertwende kam einmal in die, nicht nur in Ginsheim wohlbekannte Gastwirtschaft „Schnecko“ in der „Schnecko’s Gass“ ein auswärtiger Gast mit der Frage:
„Herr Wirt! Kann man denn bei Ihnen was Anständiges zu trinken bekommen?“

Gastwirt Schnecko antwortete trotz des schnodderigen
Tones noch sehr gelassen: „Sie können unseren selbstge-
kelterten Apfelwein haben, der hier gerne getrunken wird.“

Darauf der Gast: „Bitte verschonen Sie mich mit Ihrem Bauerngetränk, ich möchte einen Wein.“

Herr Schnecko, der über die arrogante Art schon etwas verärgert war, sagte nur ganz kurz: „Ich hab aach en gute Woi!“ – „Na, dann bringen Sie mir doch mal die beste Flasche die Sie im Hause haben“, schnarrte der Gast im Befehlston.

Nun muss ich zuerst einflechten, dass in der früheren Zeit der Wein nur im Stück- oder Halbstückfass direkt vom Weinbauern bezogen wurde.

Der Lieferant kam aus Rheinhessen mit dem Pferdefuhrwerk angefahren, und der Wein wurde aus dem Fass auf
dem Wagen durch Schläuche direkt in die vom Küfer vorbereiteten Fässer im Keller gepumpt. Die Gastwirte mussten sich also ihre Flaschenweine selbst abfüllen und erhielten die dazugehörigen Etiketten vom Weinhändler mitgeliefert. Das sollte zur Erklärung des nun folgenden einmal gesagt sein.

Als der Gastwirt Schnecko dem Gast dann die Flasche Wein ohne Etikett auf den Tisch stellte, sagte er dazu: „Ich kenn Ihren Geschmack leider net, awwer ich hab do verschiedene Etikette, am beste babbe se sich die selbst druff, wo Se moane, es wär die ‚best Flasch‘!“ Eine wahrhaft salomonische Entscheidung!

Georg Dauborn