Ginsheimer Marktnachen


der alte Ginsheimer Anglersteg - Ölgemälde von Georg Dauborn jun.

 

Der Ginsheimer Hafen hatte bereits im Mittelalter eine wichtige Bedeutung für die Bauern aus Ginsheim und aus der
näheren Umgebung. An den Mainzer Markttagen beluden die Bauern Ihre Produkte wie Kartoffeln, Gemüse und Obst
in die Ginsheimer Marktnachen und erfahrene Schiffer beförderten diese dann nach Mainz.

Die Landwirte aus Trebur und Astheim brachten Ihre Waren mit ihren eigenen Nachen die Schwarzbach herunter,
luden diese dann im in die Ginsheimer Marktnachen um und fuhren dann mit den Ginsheimern zum Mainzer Wochen-
markt.

Diese Marktnachen waren aus Holz und hatten die Form der heutigen Anglernachen. Sie waren jedoch wesentlich
größer und konnten bis zu 100 Zentner Last befördern. Um sich die Größe einmal vorzustellen: die heutigern Anglernachen sind ca. 6 m lang und können ca. 12 Zentner Last befördern, die damaligen Marktnachen das 8-fache!

Nach Mainz zu gelangen, ging verhältnismäßig leicht: man ließ sich einfach mit dem Strom "zu Tale treiben". Dieses
"zu Tale treiben" hört man heute noch von alten Ginsheimern, wenn es nach dem Dämmerschoppen Zeit ist zum
Heimgehen.

Die Arbeit, den Marktnachen nach dem Markt wieder zurück nach Ginsheim zu befördern, war jedoch wesentlich
schwerer. Auch wenn die Nachen leer waren ging es jetzt stromaufwärts oder wie die Schiffer noch heute sagen
"zu Berge".

Es gabe keinen Motor, auch segeln war aussichtslos und selbst die stärksten Schiffer konnten den Marktnachen nicht
nach Hause rudern.

Es gab nur eine Lösung: es mußte sich einer vorspannen, das Zugseil nehmen und den schweren Nachen auf dem
"Leinpfad" bis zur Höhe Laubenheim ziehen. Dort ließ man den Nachen mit dem Strom bis zum Altrhein "zu Tale
treiben".

Dampfboot v. Johann Reinheimer - die 'Ernst Ludwig' (Bildrechte: Ursula von Lonski)

das Dampfboot 'Ernst Ludwig' im Jahr 1916

Das Jahr 1880 erlöste danndie Marktfahrer dann von ihrer schweren Arbeit, die Nachen zurück nach Ginsheim zu ziehen.
Die Ginsheimer Schiffer Laubenheimer und Reinheimer kauften in diesem Jahr einen kleinen Raddampfer (ein
Dampfboot), der täglich einige Male zwischen Mainz und Ginsheim verkehrte. Nun konnten die Bauern Ihre Waren
in diesen Dampfer laden und nach Mainz befördern lassen.

Lediglich die Obstbauern hatten Pech, da sie früher auf dem Markt sein mußten als die Gemüsebauern.

Sie beförderten daher nach wie vor mit dem Marktnachen ihr Obst nach Mainz. Nur die Rückfahrt war nun komfortabler: der Raddampfer schleppte nun ihre Marktnachen zurück nach Ginsheim. Und wenn das Marktgeschäft gut war, ging es laut dem Chronisten Adam Hübner damals recht lustig an Bord zu.

Dieser kleine Raddampfer war somit der "Urgroßvater" der späteren "Ginsheimer weißen Flotte". Wie jedes
ordentliche Schiff hatte natürlich auch dieser Raddampfer einen Namen, der jedoch von den Ginsheimern nicht
ausgesprochen wurde: sie nannten ihn einfach es „Kaffeemühlche“. Es versah seinen Dienst bis Ende 1880, dann
wurde es an den Neckar verkauft.

Die Firma Reinheimer und Laubenheimer kauften danach ein etwas größeres Dampfschiff, die „Elisabeth“, die jedoch um 1900 bereits wieder verkauft wurde. 1901 wurde dann die „Ernst Ludwig“ erworben, die bereits 210 Personen befördern konnte.

Dies war das letzte Schiff der Firma Reinheimer und Laubenheimer. Die „Ernst Ludwig“ wurde kurz nach Ende des
1. Weltkrieges an die Firma Winschermann in Mainz verkauft.

Über diese Zeit der Marktnachen und der Dampfboote gibt es ein schönes Lied:


Literaturhinweis: Chronik der Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg von 1976